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Das gefällt dem SAP-Vorstand: Alles aus einer Hand

[15-10-04 / p57] Die Unternehmenssoftware steckt inzwischen in allen Gliedern, vor allem großer Konzerne. Logistik, Einkauf, Warenwirtschaft, Fertigung oder Finanzen und Personal werden mit Hilfe zahlreicher Applikationen abgewickelt, und die Walldorfer Softwareschmiede SAP hat auch schon mal den Gedanken eines Cockpits bemüht, von dem aus die Enterprise Resources gesteuert werden. Den Steuerknüppel nach links gedrückt, und schon laufen die Geschäftsprozesse mit leicht geänderten Inhalten und einem neu sortierten Aufgaben- und Zeitschema effizienter und vor allem lukrativer.

Diese Flexibilität in der Anpassung der Prozesse an die Erfordernisse von Kunden und Markt ist der derzeitige Knüller im Marketingauftritt des ERP-Marktführers. Auf der europäischen Technologiekonferenz SAP TechEd 04 diese Woche in München drängten sich mehrere Tausend Teilnehmer vor der hell erleuchteten Bühne, um den weitläufigen Ausführungen von Shai Agassi, Vorstandsmitglied der SAP, zu lauschen. Der wird nicht müde, dem geneigten Anwender immer dieselbe Botschaft zu vermitteln: „Wir sind führend auf allen Gebieten, mit denen Unternehmen jederzeit neue, innovative Geschäftsprozesse schaffen können.“ Und mit Blick in die Zukunft verspricht er den Anwesenden sogar ein nagelneues „Repository for Business Processes“. Darin sollen komplette Geschäftsvorgänge vordefiniert und mit allen notwendigen Rollen (betrifft den Mitarbeiter am Rechner), Ereignissen und Diensten versehen sein.

Fast beschleicht einen der Eindruck, die Geschäfte laufen zukünftig vollautomatisch per Mausklick. Es ist nichts weiter zu tun, als die dafür nötigen Tools zu implementieren (und die Lizenz- und Servicegebühren auf das SAP-Konto zu überweisen). Diese Werkzeuge, so genannte Composite Applications, gibt es in ausreichender Zahl beim SAP-Händler. Doch zuvor sollte man die hauseigene IT-Infrastruktur mal gründlich entmotten und die alten Buchhaltungs- und Personalprogramme durch neue Mysap-Komponenten ersetzen. Wer partout an seinen teuer erstandenen Fremdsystemen festhalten will, ist als SAP-Kunde keineswegs abgeschrieben. Alle Mysap-Module kommen im Bundle mit Netweaver, einer Integrationsplattform, die verbindet, was seit Jahren als Insellösung überflüssige Kosten verursacht und die Systemadministratoren auf Trapp hält.

„Wir bieten alles aus einer Hand“, sagt Agassi, „und können deshalb garantieren, daß es stabil läuft.“ Ein Alleinstellungsmerkmal, das von SAP-Vertretern immer häufiger zu hören ist, denn die Konkurrenz muß Integrationssoftware von Fremdanbietern ins Haus holen, damit die Applikationen auch reibungslos mit allen anderen Systemen interagieren. Oracle schafft das ohnehin nur mit der eigenen Datenbank, Peoplesoft ist auf Best-of-Breed-Anbieter angewiesen.

„Alles aus einer Hand“ hat allerdings eine Kehrseite. Die Abhängigkeit der Anwender von einem Hersteller wächst mit jedem neuen Tool, das die Informationsbearbeitung weiter beschleunigt oder mehr Intelligenz in die Dateisysteme bringt. Service- und Updatezyklen werden plötzlich zur Notwendigkeit, weil die alten Funktionen wegen Systemänderungen nicht mehr lauffähig sind oder das Crash-Risiko steigt. Neue Techniken bringen ohne Zweifel mehr Innovationen, schaffen aber auch (leider) neue Abhängigkeiten. Ein Konflikt, aus dem sich manche Anwender nur mit Mühe befreien können. Oder liegen wir da falsch?

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