[märkte & produkte]

CNT/Inrange wechselt auf die Überholspur

VON RAINER GRAEFEN

[26-7-04] Den Markt für Fabric Switches und Direktoren, den zentralen Komponenten von Speichernetzen (SANs), beherrschen Brocade und McData – erst danach kommen mit einigem Abstand Cisco, CNT (ehemals Inrange) und Qlogic. Zwei, wenn nicht sogar drei dieser Unternehmen werden auf Dauer nicht überleben, lassen einige Protagonisten und Beobachter seit einiger Zeit verlauten und zwinkern dann dem Gesprächspartner vertrauenseinflößend zu. Zu den Verlierern des seit mehreren Jahren nur schwach wachsenden SAN-Marktes zählten die Experten gemeinhin Inrange. Das zentrale Produkt des Unternehmens – der FC/9000 – entspricht schon nach äußerlichen Kriterien nicht dem Stand der Technik: Es braucht drei bis vier Mal mehr Platz und konsumiert wesentlich mehr Strom als die Konkurrenten. Und auch über die innere Architektur des „Schlachtschiffs“ von Inrange war selbst vom größten Integrationspartner IBM nur wenig Wohlwollendes zu hören. Nicht zuletzt waren auf Grund erheblicher Produktionskosten die Margen für die Partner und auch der Gewinn für Inrange selbst beim Einsatz des FC/9000 nicht berauschend.

Gleichwohl hatte sich Inrange mit seinen Direktoren und mit Hilfe von IBM vor allem bei deutschen Banken und Versicherungen im Laufe der Jahre eine starke Position erworben. Zu den Spezialitäten von Inrange zählt die Datenmigration bei der Konsolidierung von Rechenzentren und auch die Spiegelung von Rechenzentren über große Distanzen. Auch Service und Support der erfahrenen Technikermannschaft werden stets gelobt, wenn es darum geht, die bestehenden Infrastrukturen der Kunden mit der ausgeklügelten Weitverkehrstechnik (WAN) von Inrange zu erweitern. Kabbeleien mit der Firma CNT, die ebenfalls Produkte und Services in diesem Marktsegment anbietet, konnten so auf Dauer nicht ausbleiben. Das gegenseitige Abwerben von Personal kennzeichnete dann auch unter anderem die Situation, bevor CNT letztes Jahr den unliebsamen Konkurrenten einfach übernahm. [project 57 veröffentlicht demnächst ein Interview mit dem neuen (alten) Geschäftsführer von CNT/Inrange Deutschland, Peter Weil.]

Erste öffentliche Reaktionen nach der Übernahme sahen die Vorteile vor allem darin, dass CNT sich in den deutschen WAN-Markt eingekauft habe. Verlautbarungen von CNT über die Weiterentwicklung der Inrange-Direktoren wurden angesichts des technischen Rückstandes als das nach einem Merger übliche Marketing über die geschäftsträchtigen Synergieeffekte abgetan. Mit den neuen Ultranet Multiservice Directoren (UMD) von CNT, die letzte Woche der Fachpresse vorgestellt wurden, gibt es nun allen Grund, diese Einschätzung ad acta zu legen.

Ein Alleskönner

Sehenswert sind allemal die technischen Fähigkeiten des UMD Model 32, einem 512-Port-Directors, der als UMD Model 2 auch in einer 32-Port-Ausführung ausgeliefert wird. Da die Fibre-Channel-Adressierung inzwischen an ihre Grenzen stößt, weil sie eigentlich nur 256 Ports pro Domäne zulässt, war man „gezwungen“, logische Domänen einzuführen, also bei Model 32 zwei Domänenadressen zusammenzufassen. Durch Storage-Prozessoren ist es zudem gelungen, die Latenzzeit für alle Ports einheitlich auf maximal 4,7 Mikrosekunden zu begrenzen. Der Direktor unterstützt die Speicherprotokolle FC, Ficon, iSCSI und FCIP. Über die Unterstützung von Escon denkt man noch nach. IBM hat dieses Protokoll ja offiziell abgekündigt. Es gibt aber ein größeres Potential von Anwendern, die ihre Mainframes mit teuren Escon-Kanälen ausgestattet haben und wahrscheinlich die höhere Performance von Ficon nicht benötigen. Um die Transporteffizienz zu erhöhen und Daten protokollunabhängig weiterleiten zu können, zerlegt der Multiservice-Direktor alle Transportframes in 64-Byte-Datenpakete. Und auch das Routing auf dem FC-Layer 3 wird unterstützt.

Der im Entwurf befindliche nächste FC-Routing-Standard vereinfacht vieles und wird interessante Möglichkeiten bei der herstellerübergreifenden Interoperabilität bringen. Brocade hat in diesem Jahr als einer der ersten Hersteller einen Storage Router vorgestellt, der Daten ohne Fabric-Merge in naher Zukunft auch zwischen den Produkten verschiedener Hersteller transportieren kann.

Neuigkeiten gibt es auch bei den Interswitch-Links (ISL). Jede FC-Verbindung kann eine ISL-Verbindung sein und mit anderen in einem so genannten Trunk-Pool zusammengefasst werden, der dann über die kumulierte Bandbreite verfügt. Eine weitere ISL-Besonderheit des UMD ist die Zuordnung von vier Prioritätsstufen, so dass nun ein Bandbreitenmanagement möglich wird. Man könnte das auch als virtuelle Kanäle bezeichnen. Der Nutzeffekt solcher Funktionen besteht darin, dass Anwendungen nun eine garantierte Bandbreite im Speichernetz zugeteilt werden kann. Die Idee ist zwar nicht wirklich neu, die Umsetzung allerdings schon. McData hat dieses Thema schon als Fabric-Virtualisierung vermarktet, dabei aber an die dynamische Bündelung von FC-Verbindungen gedacht. Durch die Fähigkeiten der neuen Backplane (diese arbeitet mit einem Datendurchsatz von fünf Terabyte) und den in Zukunft höheren Portgeschwindigkeiten von vier,, acht und zehn Gigabyte konnte CNT die Bandbreiten-Virtualisierung als einer der ersten Hersteller nun in die Tat umsetzen.

Wichtiger als die Switching-Fähigkeiten des UMD dürften in Zukunft die zusätzlich implementierten Service-Fähigkeiten des Produkts sein. Die Integration von neuen „FC-Primitives“ – das sind generische Funktionen, mit denen der UMD Datenredundanz erzeugen kann – lassen es denkbar erscheinen, dass auch Festplatten-Controllerfunktionen in die Fabric wandern. Die Intelligenz der Speicherkomponenten zieht ins Speichernetzwerk, heißt es ja schon seit längerem unisono von Herstellerseite. Ob die Anwender jedoch tatsächlich bei ihren Highend-Speichersystemen auf die erprobte, aber hardwarenahe Datenspiegelung à la IBMs PPRC (Point to Point Remote Copy) oder EMCs SRDF (Symmetric Resource Data Facility) verzichten werden, wie es CNT gern sähe, muss sich noch herausstellen.

An dem zögerlichen Verhalten der Anwender bei der Übertragung von Funktionen der Speichersysteme auf eine Virtualisierungsebene im SAN beißen sich Falconstore und Datacore bereits die Zähne aus. Der Ansatz von CNT ist allerdings umfassender als die einfache Speichervirtualisierung der kleineren Konkurrenten. Auf dem UMD kann der Anwender Ressourcen zusammenstellen, mit denen sich dann gestufte Services realisieren lassen wie etwa die synchrone Spiegelung von Daten, Festplattenredundanz mit Backup oder die Datenarchivierung nach ILM-Prinzipien (Information Lifecycle Management).

Nachdem nun erst einmal die Katze aus dem Sack ist, werden weitere Presseinformationen von Partner IBM in den nächsten Wochen zeigen, wohin der Weg geht. Dass Inrange, sprich CNT, weiterhin als Verlierer im SAN-Markt gewertet werden müsste, ist nach der Ankündigung des Ultranet Multiservice Directors äußerst unwahrscheinlich. Jetzt ist erst einmal der große Director-Gegenspieler McData am Zug. Die Entwicklung auf der Intrepid-Plattform 6140, einem FC-Direktor mit 140 Ports, wurde jedenfalls nach Aussage von Experten schon eingestellt. Der Serializer, das wichtigste Kern-IC in jedem McData-Switch, hat kein Entwicklungspotential mehr. Alle Entwicklungskapazitäten wurden deshalb auf die vor einem Jahr erworbene Sonera-Plattform geworfen. Unklar ist auch noch, was Cisco gegen den UMD ins Feld führen wird. Schlecht schaut es bei Brocade aus: Beim Rennen im Highend-Bereich ist dort derzeit nicht viel zu sehen. Man konzentriert sich auf die installierte Switch-Basis und die Marktführerschaft bei installierten Ports. Bei Brocade steht anscheinend nicht länger der Enterprise-Switch im Mittelpunkt der entwicklungstechnischen Bemühungen, sondern die bessere Nutzung der bestehenden SAN-Ressourcen, die man mit dem Storage Router konfliktfrei erschließen will. Wir werden also auch weiterhin mit fünf größeren Fabric-Anbietern leben müssen.

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