[märkte & produkte]

NCR – Phoenix aus der Asche?

[1-10-04 / p57] Früher war NCR einmal ganz groß. Vor über 100 Jahren gegründet, brachte die National Cash Register Co. mit Sitz in Dayton, Ohio, elektrische Registrierkassen nicht nur in US-Supermärkte und -Warenhäuser, sondern auch im Rest der Welt stieg man schnell zu einem der ganz großen, wenn nicht zum Marktführer in dieser Branche auf. Dann kam die Zeit der Expansion, es ging nun auch um Hardware im neuen Sinne, um Server und PCs. NCR spielte weit vorn mit, in Augsburg zum Beispiel sind die großen Fabrikationsgelände und die Masse der dort Beschäftigten noch heute Stoff für manche Erinnerung. Doch war NCR in dieser Welt auf Dauer nicht konkurrenzfähig – es wurde verkauft, eingestampft und so weiter. Zum Schluß blieben nur noch die Kassensysteme, erweitert um Bankautomaten, und die Data-Warehouse-Lösungen der eingekauften Tochter Teradata. Die hat immerhin so etwas wie eine Marktführerschaft beim Data Warehousing erreicht – fast alle großen Unternehmen der Welt sind Kunde bei NCR. Das bedeutet auf der anderen Seite, daß ein Wachstum kaum noch möglich ist. Neukunden sind rar, und der Konkurrenz von IBM und Oracle welche abzujagen, passiert nicht alle Tage. Dennoch besitzt NCR eine stabile Kundenbasis, in die hinein man immer wieder neue Produkte oder Upgrades verkaufen kann.

Im Februar kam mal wieder ein neuer CEO bei NCR an Bord. Mark Hurd übernahm das Ruder. Das führte recht bald zu internen personellen Veränderungen, auch auf Europa- und Deutschlandebene. Wie das Wall Street Journal vom 30. September berichtet, versprach Hurd, durch radikale Kostensenkungen die ausbleibenden Erfolge an der Verkaufsfront und die steigenden Belastungen durch Pensionszahlungen aufzufangen. Der Aktienkurs hatte bereits deutlich gelitten. Zur Überraschung der Analysten konnte Hurd bald erste Erfolge vorweisen: Die roten Zahlen waren Vergangenheit, in dem Maße, in dem es gelang, die etwas krude Produktmischung aus Data Warehouses, Bankautomaten und EDV-gestützten Kassensystemen wieder attraktiv zu machen. 2002 machte NCR noch 220 Millionen Dollar Verlust, 2003 war schon wieder ein Plus von 58 Millionen zu verzeichnen. Besonders die neuen automatischen Kassensysteme auf RFID-Basis, die aktuellen Anstrengungen vieler Retail-Unternehmen, mit CRM-Lösungen (Customer Relationship Management) effizienter die Bedürfnisse der Kunden auszuwerten und zu antizipieren, und die Pläne der Banken, Papierschecks durch digitale Formulare zu ersetzen, machen den NCR-Produktmix plötzlich wieder interessanter.

Auf jeden Fall geht es mit NCR wieder aufwärts: Im zweiten Quartal 2004 ist der Umsatz um sechs Prozent gestiegen, und der Aktienkurs findet sich auf der beachtlichen Höhe von 49,50 Dollar (Kurs vom 29. September). Davon können viele der Konkurrenten im Silicon Valley nur träumen.

Alles nur Zufall? Man kann es ja auch so sehen: NCR ist mit seinen Bankautomaten und neuen Self-checkout-Kassensystemen gerade rechtzeitig zur Stelle. Ob geplant oder nicht. Auch so geht Marktwirtschaft. Manchmal braucht es einfach etwas Glück. [Mehr zu NCR und Teradata in der nächsten Ausgabe von project 57.]

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