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Harte Zeiten bei Peoplesoft

[7-10-04 / p57] Selbst aalglatte Manager, die im harten Business den Weg nach oben gefunden haben, verlieren unter den gegebenen Umständen ihre Sprache. Bei Peoplesoft, einer auf Unternehmenssoftware spezialisierten US-Company, hat die überraschende Demission von Chief Executive Craig Conway den offiziellen Informationsfluß mehr oder weniger zum Erliegen gebracht. Keiner der in London anläßlich der europäischen Peoplesoft Connect 2004 Anfang Oktober angereisten Peoplesoft-Vertreter wollte auch nur ein Sterbenswörtchen über den Rauswurf ihres obersten Chefs verlieren. In den USA selbst stellte sich die Sache etwas anders dar: Unternehmensvertreter verwiesen darauf, daß Conway im Dezember auf einer Analystenkonferenz falsche Angaben über die Umsätze von Peoplesoft gemacht habe. Bisher war dieser Umstand allerdings niemandem aufgefallen. Andere Unternehmensvertreter deuteten an, der Führungsstil von Conway sei einfach zu selbstherrlich gewesen. Seine eigene Selbstdarstellung sei ihm wichtiger als das Interesse der Firma gewesen – und seine persönlichen Anwürfe gegen Oracle-Chef Larry Ellison gehörten sich einfach nicht für einen gestandenen Manager. Inzwischen sickerte sogar durch, daß Conway selbst vor einiger Zeit auf Ellison zugegangen sei und einen Übernahme-Deal vorgeschlagen habe.

Offiziell gibt es noch immer keine eindeutige Stellungnahme zur Entlassung des bisherigen Peoplesoft-Chefs. Guy Dubois, Executive Vice President von Peoplesoft, vermied auf der Londoner Konferenz jedenfalls peinlichst jeden Kommentar und betonte die Kontinuität der Peoplesoft-Strategie unter dem neuen alten Frontmann Dave Duffield, dem Unternehmensgründer. Ob jetzt der Weg frei ist für eine schnelle Übernahme durch Oracle, mag dahingestellt bleiben – von seiten der Peoplesoft-Aktionäre dürfte in den letzten Monaten jedoch ein erheblicher Druck ausgegangen sein. Von ihrem Standpunkt aus ist es ziemlich egal, wem der Laden gehört – Hauptsache, Börsenkurs oder Dividende stimmen, und die Aktien sind jederzeit gut weiterzuverkaufen. Nicht zu unterschätzen dürfte auch die letztjährige Übernahme von J.D. Edwards durch Peoplesoft gewesen sein – anstatt die Marktmacht von Peoplesoft zu stärken, ist eher das Gegenteil eingetreten. Viele Kunden sind verunsichert, und der eine oder andere dürfte schon jetzt – ganz freiwillig – zur Konkurrenz von SAP oder Oracle gewechselt sein. Langfristige Investitionssicherheit ist bei Business-Software kein Fremdwort.

Daß der Aufsichtsrat ausgerechnet den auf Eigenständigkeit beharrenden Conway kippt, läßt natürlich viel Raum für Spekulationen. Die schießen in diesen Tagen ins Kraut, denn Entscheidungen für oder gegen eine Übernahme können sehr schnell fallen. Vor allem wenn es um’s Geld geht. Einige Führungskräfte von Peoplesoft, die insgeheim einer Übernahme nicht abgeneigt sind, könnten durchaus mit netten Vorteilen zu ihren Gunsten rechnen. Entweder gibt’s neue Posten oder es winkt eine Anfindung. Da sage noch jemand, Marktwirtschaft sei „kompliziert“.

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