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In guter Gesellschaft: Dell steigert Lagerbestände um 61 Prozent

[21-7-04 / p57] Das hört man nicht gerne im Hause Dell, und auf den ersten Blick passt es auch gar nicht mit den üblichen Hurra-Meldungen aus Texas zusammen: Während Umsatz und Gewinn im letzten Quartal bei dem einstigen Computer-Only-Schrauber aus Austin, der sich inzwischen zu einem Gemischtwarenladen mit Speicherschränken, Switches, PDAs und Druckern mauserte, mal wieder gestiegen sind, überraschte kürzlich eine Meldung aus der New York Times. Die Zeitung war den sehr widersprüchlichen Gewinn- und Verlustmeldungen aus der IT-Branche etwas näher nachgegangen und kam schließlich zu dem Schluß, dass dem High-Tech-Ballon mal wieder hörbar die Luft entweiche. Beleg: Deutliche Geschäftseinbussen im letzten Quartal bei Siebel, Veritas, Unisys oder Ingram Micro. Auch Storagetek ist nach einem Dutzend positiver Quartale von der Erfolgsstraße abgekommen. Und die Veritas-Aktie musste angesichts sinkender Software-Verkäufe schon zum zweiten Mal in diesem Jahr deutliche Einbußen hinnehmen – der Kurs brach jetzt um über 30 Prozent ein.

Die New York Times zitiert einen auf IT spezialisierten Börsenanalysten, der bereits den Beginn eines erneuten Niedergangs der gesamten Technologiebranche diagnostiziert. Fred Hickey von „The High-Tech Strategist“ sieht vor allem zwei Faktoren, die seine düstere Prognose belegen:

1) Der SOX, der Semiconductor Stock Index, sei dieses Jahr bereits um 11,2 Prozent gefallen – Ausdruck der sinkenden Chip-Nachfrage weltweit. Und die Spotmärkte für Chips würden auf weiter sinkende Preise verweisen.

2) Noch dramatischer seien die stark gestiegenen Lagerbestände einer Reihe von Hardware-Herstellern. Hickey hat sich die Mühe gemacht, die diesjährigen Berichte für das erste Geschäftsquartal 2004 mit denen des Vorjahrs zu vergleichen und dabei eine kleine Sensation herausgefunden: Ausgerechnet Dell, jener Hersteller, der immer von sich behauptet, fast gar keine Lagerbestände zu haben, da ausschließlich auf Bestellung produziert werde, verzeichnet den stärksten Lagerzuwachs. Im Einzelnen:

Lagerwachstum im ersten Quartal 2004

Dell.................................................................. + 61 %

Seagate Technology.......................................... + 60 %

Foundry Networks............................................. + 48 %

Cisco Systems................................................. + 47 %

Texas Instruments............................................. + 30 %

Intel.................................................................. + 29 %

Sun Microsystems............................................. + 25 %

Micron Technology............................................. + 21 %

Bei Dell Deutschland wollte man diese Zahlen für das eigenen Haus zunächst nicht bestätigen. Erst eine Rückfrage beim europäischen Headquarter führte zu einer etwas gewundenen Erklärung. Pressesprecher Michael Rufer zu ZAZAmedia: „Den Anstieg um 61 Prozent sollte man folgendermaßen einordnen: Zunächst einmal gehen wir bei Dell von einer sehr geringen Basis aus. Mit 3 - 4 Tagen Lager steht Dell sehr viel besser da als irgendjemand in der Industrie. Die Prozentzahl allein sagt also noch nicht viel aus. Ein Grund für den Anstieg ist unser eigenes Wachstum, also der Anstieg der verkauften Stückzahlen in Q1 um 25 % (der Markt wuchs nur um 14 %). Ein weiterer ist die Ausweitung unseres Produktportfolios, etwa bei Druckern.“

Hickey sieht die eigentliche Brisanz der generell gestiegenen Lagerbestände darin, dass die Absätze im ersten Quartal noch zugelegt hatten. Seit dem zweiten Quartal macht er jedoch einen gegenläufigen Trend aus, der sich im Laufe des Jahres noch verstärken werde. In so einem Umfeld bedeuten höhere Lagerbestände geringere Gewinne und steigende Abschreibungen auf diese überflüssig gewordenen Produkte, sprich Entwertung des eingesetzten Kapitals. Der Analyst sieht sich sogar an die Situation im Jahr 2000 erinnert, als sich die ersten Zeichen für ein Platzen der Dotcom-Blase andeuteten. Ob es wieder dazu kommt – dieses Mal auf höherem Niveau –, mag dahingestellt bleiben. Eines hat sich auf jeden Fall nicht geändert, so Hickey: „Diese Industrie ist hoffnungslos optimistisch. Es wird immer zuviel produziert.“

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