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Milliardenkredit für SAP

[23-9-04 / p57] Nein, es reicht einfach nicht. Der deutsche Softwarekonzern SAP hat erst kürzlich glänzende Quartalszahlen präsentiert und verzeichnet zweistellige Umsatzsteigerungen im schwierigen US-Markt. Vorstandssprecher Henning Kagermann ist mit dem Ergebnis rundum zufrieden und findet, daß der Konzern an allen Ecken und Enden schon jetzt mehr wächst als die Konkurrenz. Dennoch hat Finanzvorstand Werner Brandt ein alarmierendes Defizit in der Finanzausstattung entdeckt: Der Konzern will sich bei Banken, einem Bericht des Handelsblattes zufolge, eine weitere Kreditlinie von mehr als einer Milliarde Euro genehmigen.

Der Gelddurst der Vorstandsetage kennt offenbar keine Grenzen, aus welchen nicht öffentlich zugänglichen Motiven auch immer. Oder bahnt sich im Markt für Unternehmenssoftware ein neuer Schlagabtausch der Kontrahenten an? Auf alle Fälle wappnet sich Walldorf mit zusätzlichen Finanzmitteln, die sich in den nächsten Monaten sofort mobilisieren lassen, wenn sie gebraucht werden. Noch wiegelt Walldorf ab: SAP passe sich mit der neuen Kreditlinie nur den üblichen Gepflogenheiten in Großunternehmen an, heißt es vielsagend aus der Presseabteilung. Ein Sprecher bekräftigte sogar, daß eigentlich keiner das Geld brauche. Doch wie ernst sind solche Aussagen zu nehmen, wenn der deutsche Software-Primus seine Liquidität zusätzlich zu den vorhandenen Geldüberschüssen um eine Milliarde Euro erweitert? Kaum einsichtig ist auch der Verweis auf die gegenwärtigen Kreditkonditionen am Markt. Man wolle sich vorsorglich über beide Ohren mit Geld eindecken, denn es könnten die Zinsen ja in Bewegung geraten, verlautbarten Firmensprecher. Was für ein vorsichtiges und weitsichtiges Haushalten der SAP-Spitze, aber gleich eine Milliarde Euro ordern ohne Angabe einer konkreten Verwendung – kaum zu glauben.

Bleibt die letztlich naheliegende Vermutung, daß die „syndizierte Kreditfazilität“ weniger der „finanziellen Flexibilität im Alltagsgeschäft“ dient als einer zu erwartenden Verschärfung der Konkurrenz im Kerngeschäft. Die Spatzen pfeifen es ja schon von den Dächern: Microsoft dreht im Enterprise-Segment auf und kündigt größere Firmenübernahmen an, und Oracle will sein Applikationsgeschäft mit der Einverleibung von Peoplesoft/J.D. Edwards stärken. Die verantwortlichen Manager wollen also nicht nur die Kostenstrukturen der Konzernabteilungen nach Einsparpotentialen durchforsten, sondern offenbar gleichzeitig mit erweiterten Kreditlinien auch mehr Geld ausgeben, um das nächste Etappenziel zu erreichen – zum Beispiel durch weitere Übernahmen störender Konkurrenten. Für betriebswirtschaftlich veranlagte Zeitgenossen offenbar eine alltägliche Übung, der gesunde Menschenverstand ahnt eher Ungemach – sprich: Der Konkurrenzkampf zwischen den Softwaregiganten wird zunehmen. Zum Vorteil der Anwender?

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