[patentstreit]

Gartner: München nimmt Patentfrage
als Vorwand für Linux-Stopp

[12-8-04 / p57] Fachleute hatten sich schon manches mal etwas gewundert über die Entscheidung der Stadt München, an die 15.000 Clients auf Linux zu migrieren. Das sei wegen der vielen Umstellungsprobleme, der Mitarbeiterschulung und ungeklärter Folgekosten letztlich teurer als ein Umstieg auf neuere Windows-Versionen. Dennoch hatte in vielen Augen die rot-grüne Stadtregierung Münchens so etwas wie ein Fanal gesetzt: Der Zug hin zu Linux sei unumkehrbar. Gerne wurde auf das Signal für andere öffentliche Verwaltungen im In- und Ausland verwiesen. Prominente Namen waren unter anderem Wien und Paris. Doch nun sieht plötzlich alles wieder anders aus. Die Stadt München hat am 4. August erklärt, die Ausschreibung für den sogenannten Basis-Client unter Linux erst einmal wegen ungeklärter Patentfragen auszusetzen. Angeblich bestehe die Gefahr, daß sich wegen maximal 300 ungeklärter Software-Patente an Linux womöglich riesige finanzielle Forderungen auf die Stadt zuwälzen könnten. Und die (Fach-)Öffentlichkeit war sich einig, daß hinter „so etwas“ wohl nur ein Schurkenunternehmen wie Microsoft stecken könne. Jetzt hat auch die Gartner Group versucht, etwas Licht in den Patentsumpf zu bringen. Analyst Andrea Di Maio schreibt in einem „Gartner FirstTake“ vom 10. August, daß es auch noch andere Gründe geben könne für den plötzlichen Rückzug der Stadt München. Gartner glaubt, daß statt der Patent- doch mehr die Kostenfrage und die ungeklärten Risiken der Client-Migration durchgeschlagen hätten. Schließlich gehe es vor allem um US-Patente, die hierzulande im Falle des Falles erst durchgesetzt werden müssten, aber vor allem könne die viel gescholtene EU-Patentanordnung kaum für den Stopp der Ausschreibung herhalten, da sie noch gar nicht in Kraft sei und überdies nicht rückwirkend Geltung beanspruchen dürfe. Also doch ein klammheimlicher, in aller Öffentlichkeit vollzogener Komplettrückzug der Münchner Stadtoberen? Ins Bild paßt, daß sich die Stadt Wien inzwischen sehr kritisch über eine Linux-Migration geäußert haben soll.

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